«Die Planung dieser Sanierung hat meinen beruflichen Horizont erweitert.»

Die Winterthurer Immobilienfirma Terresta saniert zwei Gebäude mit insgesamt 45 Wohnungen am Hobelwerkweg in Winterthur im bewohnten Zustand. Im Rahmen des Pilotprojekts «AMU» von EnergieSchweiz werden sie dabei in den Bereichen Kommunikation und Partizipation von Expertinnen und Experten begleitet.

Die beiden Gebäude, errichtet in den 1960er-Jahren, fallen erst auf den zweiten Blick auf: markante Flügelbauten mit zahlreichen typischen architektonischen Details aus der Entstehungszeit und Glasfassaden bei den Treppenhäusern. Seit ihrer Entstehung vor rund 60 Jahren wurden lediglich notwendige Renovationen durchgeführt. Nun plant Terresta eine energetische Sanierung. Die Bauarbeiten sollen noch dieses Jahr beginnen. Im Gespräch erzählt Vera Zubek, Leiterin Immobilienbewirtschaftung Terresta, von ihren Erfahrungen während der Planungsphase.

Warum hat sich Terresta dazu entschlossen, die Gebäude am Hobelwerkweg bewohnt zu sanieren?
Sozialverträglichkeit gehört zur Philosophie unseres Unternehmens. In den 45 Wohnungen wohnen zahlreiche Mietende, die auf günstigen Wohnraum angewiesen sind und die bereits längere Zeit hier wohnen. Wir möchten diese gerne künftig als Mietende behalten und haben uns deshalb entschlossen, die Sanierung im bewohnten Zustand durchzuführen.

Ist dies die erste Sanierung im bewohnten Zustand, die Terresta durchführt?
Derzeit sind wir an der Planung mehrerer solcher Sanierungen. Die am Hobelwerkweg ist aber die erste in diesem Umfang.

Hat die AMU-Methode den Planungsprozess verändert?
Sie hat uns geholfen, die Themen zu setzen und zu priorisieren, etwa bei der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für die Kommunikation mit der Mieterschaft und deren Gestaltung.

Beziehen Sie die Mieterschaft in den Prozess ein?
Das war eines der Themen, die wir lange diskutiert haben: Wir sind keine Genossenschaft und wollten keine Partizipation für den gesamten Prozess. Trotzdem war es uns wichtig, dass die Mieterschaft mitgestalten kann. Schliesslich haben wir uns darauf geeinigt, gewisse Bereiche des Aussenraums zusammen mit den Mietenden zu planen.

Welche Erkenntnisse haben Sie sonst noch gewonnen?
Dass das Budget von Anfang an bekannt sein muss. Ein Teil unserer Ideen mussten wir wegen fehlender Mittel wieder streichen. Ursprünglich wollten wir eine Rolls-Royce-Begleitung, jetzt haben wir eine solide Audi-Lösung.

Wie ist die Methode im Team aufgenommen worden?
Auch hier haben wir dazugelernt: Wichtig ist, dass man von Anfang an definiert, wer beim Prozess mitbestimmen kann. In der Planung ist es wie in der Küche, zu viele Köche verderben den Brei.»

Die AMU-Methode sieht eine umfassende Vorbereitungsphase vor. Was für Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Genügend Vorlaufzeit ermöglicht es, bei Schwierigkeiten zu reagieren und Lösungen zu finden. Wir haben etwa einen Fragebogen an alle Mitparteien verschickt, um Bedürfnisse (Nachtschicht, Kinder, Einschränkungen) zu eruieren. Da wenige schriftliche Rückmeldungen kamen, haben wir die Mietenden bei den Beprobungen persönlich befragt.

Wie hat die Mieterschaft auf die angekündigte Sanierung reagiert?
Unsere frühzeitige Ankündigung und der Fokus darauf, Kündigungen zu vermeiden, wurden gut aufgenommen und erleichterten die weitere Kommunikation.

Haben Mietende nach der Ankündigung selbst gekündet?
Bis jetzt nicht.

Was wird die grösste Herausforderung für die Mieterschaft sein während der Sanierung?
Die Körperhygiene und die Parkierung. Die Bäder und die Küchen sind sieben Wochen lang nicht benutzbar. Die Mietenden müssen sich in einer provisorischen Dusch- und WC-Anlage im Untergeschoss waschen. Auf Wunsch stellen wir zusätzlich eine Trockentoilette in der Wohnung zur Verfügung.

Das wird kein einfaches Wohnen!
Das ist uns bewusst. Deshalb werden wir auch Gemeinschaftsnachtessen und Spielnachmittage anbieten. Im Garten wird es einen Gemeinschaftscontainer geben, wo man sich zurückziehen kann. Und für die Mietenden, die nachts arbeiten oder in Kleinstwohnungen leben, bieten wir Ausweichmöglichkeiten an.

Was wird die grösste Herausforderung für die Bewirtschaftung?
«Die Einhaltung des Zeitplans. Sie müssen dafür sorgen, dass die Mietenden verstehen, wann sie den Bauarbeiterinnen und Bauarbeitern Zugang gewähren müssen, wann sie die Nebenräume leeren müssen und wann sie für eine Weile die Wohnung verlassen müssen.

Sie sind noch in der Vorbereitungsphase – trotzdem: Was war bis jetzt das grösste Learning in diesem Prozess?
Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen, ganz unterschiedliche Perspektiven einzunehmen – die der Mietenden und der Bauabteilung – hat mich gefordert und gleichzeitig meinen beruflichen Horizont erweitert.

Das Pilotprojekt

Im Rahmen des Pilotprojekts AMU* fördert EnergieSchweiz energetische Sanierungen bewohnter Gebäude. Ziel des Projekts ist es, Ressourcen schonend zu nutzen und CO2-Emissionen zu reduzieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die soziale Nachhaltigkeit: Durch das Vermeiden von Leerkündigungen bleibt die soziale Struktur im Quartier erhalten und Mietende können in ihrem gewohnten Umfeld wohnen bleiben. Zudem bleiben die Mietpreise bei Sanierungen in der Regel weiterhin für eine breite Bevölkerungsschicht erschwinglich. Dies sorgt für eine vielfältige Nachbarschaft, fördert ein lebendiges Miteinander und ermöglicht Orte, an denen sich Menschen wohlfühlen und langfristig bleiben – die ideale Grundlage für sozial nachhaltige Quartiere.

Die AMU-Methode der SIG (Services industriels de Genève) garantiert sozial nachhaltige Prozesse. Sie wurde auf Grundlage gesammelter Erfahrungen weiterentwickelt und für die gesamte Schweiz angepasst. Eine detaillierte Anleitung durch einen Sanierungsprozess findet sich im Handbuch «Energetische Sanierung in bewohntem Zustand – partizipativ und sozialverträglich planen».

Das Ziel des Pilotprojekts von EnergieSchweiz ist es, Immobilienbesitzenden eine Methodik zur Verfügung zu stellen, mit der sie Sozialverträglichkeit auf zielführende Art in ihre Projekte integrieren können.

*Assistance à la maîtrise d’usage

EnergieSchweiz
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Pulverstrasse 13, 3063 Ittigen
Telefon 0848 444 444
www.energieschweiz.ch, www.bfe.admin.ch